Feminismus
A: ḥarakat difā‛ ‛an ḥuqūq al-mar’a. – E: feminism. – F: féminisme. – R: feminizm. – S: feminismo. – C: nüxing zhuyi
Rosemary Hennessy (FH) (I.), Sigrid Metz-Göckel (II.)
HKWM 4, 1999, Spalten 289-305
I. F lässt sich als Ensemble von Debatten, kritischen Erkenntnissen, sozialen Kämpfen und emanzipatorischen Bewegungen fassen, das die patriarchalen Geschlechterverhältnisse, die alle Menschen beschädigen, und die unterdrückerischen und ausbeuterischen gesellschaftlichen Mächte, die insbesondere Frauenleben formen, begreifen und verändern will. F ist als Theorie und als soziale Bewegung aufgrund von Veränderungen in der Produktion möglich geworden, die Frauen eine größere Unabhängigkeit von feudaler Haushaltsordnung erlaubte. Einerseits ist eine patriarchale Struktur, die Frauen vielfältig und häufig grausam unterdrückt, grundlegend für die Entwicklung und Reproduktion des globalen Kapitalismus; andererseits ermöglichen die durch die kapitalistische Arbeitsorganisation auch den Frauen gegebene soziale Mobilität und das Gleichheitsversprechen des modernen Staates, dass sich feministisches Bewusstsein, Widerstand und Reformen entwickeln. Zweifellos brachte der feministische Kampf enorme Verbesserungen für das Leben vieler Frauen. Da F, seine Erkenntnisse und seine Bewegung zugleich mit den widersprüchlichen Diskursen liberaler Demokratie und staatlichem Sozialismus aufkamen, bleibt umstritten, für wen F spricht, wen er stärkt und was seine Ziele sind. Anders gesagt, hat F weder ein monolithisches Wissen noch einen solchen Standpunkt. Gleichwohl sind die in Westeuropa und den USA herausgebildeten und am meisten verbreiteten Diskurse, die häufig nur für die Interessen weniger Frauen sprechen, in der Regel mit dem Anspuch aufgetreten, für alle Frauen zu sprechen. Der ›liberale‹ F wurde zur dominanten Stimme des F in der ›überentwickelten‹ Welt; dabei blieb er unter permanenter Belagerung durch die konservative Rechte und wurde zugleich von Frauen angefochten, die in anderen Bürgerrechts-, nationalen und revolutionären Bewegungen für gesellschaftlichen Fortschritt stritten. Frauen aus der Zwei-Drittel-Welt und aus Osteuropa, Arbeiterinnen, Farbige und Lesben hinterfragen an der Schwelle zum 21. Jh. viele der Postulate und politischen Forderungen des liberalen F, auch wenn ihnen das Vermächtnis liberaler Reform zeitweilig zugute gekommen ist und sie darauf aufgebaut haben.
II. »F« gehört zu den anstößigen Begriffen (wie z.B. »Patriarchat«), die Ende der 1960er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland provokativ wiederbelebt worden oder, wie ›Sexismus‹, aus dem Amerikanischen übernommen worden sind. Er kennzeichnet die Politik der neuen Frauenbewegung als kritische Auseinandersetzung mit den Geschlechtervahältnissen. Dass junge Frauen besser gebildet waren als ihre Mütter und doch nicht gleiche Chancen und Lebensbedingungen vorfanden ›wie ihre Brüder‹, dass die herkömmlichen Weiblichkeitskonzepte und Arbeitsteilungen sie einengten und die Verhältnisse sich ohne ihr Zutun nicht so rasch ändern würden, wurde zu einer tragfähigen Erfahrung und Erkenntnis, die jüngere Frauengenerationen zu kollektiven Aktionen mobilisierte. Als eine Art Losung wurde formuliert: F ist die Theorie und Frauenbewegung die Praxis. F war zunächst ein Kampfbegriff gegen Männerherrschaft und Frauenunterdrückung, in einem kritischen Verhältnis zu sozialistischer und ›bürgerlicher‹ Familien- und ›Frauen‹politik, die nicht den Abbau patriarchaler oder männlich-hegemonialer Strukturen anstrebten.
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