Menschwerdung

A: ṣairūrat al-’insān. – E: hominisation. – F: hominisation. – R: stanovlenie čeloveka. – S: hominización. – C: rénlèi xíngchéng 人类形成

Wolfgang Fritz Haug (I.), Peter Beurton (II.), Wolfgang Fritz Haug (III.)

HKWM 9/I, 2018, Spalten 610-627

I. M wird in unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht. Die marxsche Sicht geht zunächst aus von der in der 6. Feuerbach-These getroffenen Unterscheidung von menschlicher Natur und menschlichem Wesen. Erstere wohnt dem einzelnen Individuum inne in Gestalt der genetisch bedingten psychophysischen Ausstattung, mit der es zur Welt kommt; das zweite ist zwar biologisch bedingt, doch »in seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse« (3/6), in das Menschen hineingeboren wurden und das sie durch ihr Verhalten modifizieren. M im phylogenetischen Sinn (Anthropogenese, Hominisation) meint die Herausbildung jener Naturanlagen, die im Normalfall jedem Menschenkind die Aneignung seines Wesens oder seine Verwirklichung als gesellschaftliches Individuum ermöglichen. Das menschliche »Gattungswesen zeichnet sich gerade durch geburtliche Wesenlosigkeit aus. Das Sprache habende Lebewesen, als welches Aristoteles die Menschengattung charakterisiert, kommt sprachbegabt aber sprachlos schreiend zur Welt. Ein nicht nur mögliches, sondern wirkliches menschliches Wesen kommt ihm einzig auf dem Wege der nachgeburtlichen Vermenschlichung zu.« (Haug 2015, 76) In jedem einzelnen Fall ist es ein konkret Anzueignendes.

II. Evolutionsforschung, die Evolution allein als Akkumulation ›kleinster Bausteine‹ begreift und folglich Selektion nur in ihrer Erhaltungsfunktion wahrnimmt, muss alle Evolution ausschließlich als Anpassung, als immer bessere Einpassung der Organismen in eine in ihrer Qualität fixierte Umwelt interpretieren, wodurch die Selbstbewegung, die Produktion des Neuen ausgeblendet wird. Evolution ist aber zugleich auch Aneignung neuer Umwelt, indem die Organismen laufend die noch unbestimmte, d.h. in ihrem Evolutionszusammenhang wesentlich noch nicht determinierte, offene Umwelt in eine durch sie bestimmte, in ihrem Evolutionszusammenhang wesentlich werdende, geschlossene Umwelt verwandeln und erst dadurch ihr Neues produzieren. Evolution ist in diesem Sinn immer auch Aneignung und Produktion.

III. Jürgen Habermas hat im Zuge seiner Revision des historischen Materialismus Marx vorgeworfen, er wisse noch nichts davon, »dass auch in der Dimension der moralischen Einsicht, des praktischen Wissens, des kommunikativen Handelns und der konsensuellen Regelung von Handlungskonflikten Lernvorgänge stattfinden, die sich […] in neuen Produktionsverhältnissen niederschlagen und ihrerseits erst den Einsatz neuer Produktivkräfte möglich machen« (1976, 11f), also den »Schrittmacher der sozialen Evolution« darstellen (35). Insgesamt habe er »unter dem unspezifischen Titel der gesellschaftlichen Praxis […] kommunikatives Handeln auf instrumentales« reduziert (1968, 45).

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