Ewigkeit
A: ḫulūd. – E: eternity. – F: éternité. – R: večnost’. – S: eternidad. – C: yongheng 永恒
Wolfgang Fritz Haug
HKWM 3, 1997, Spalten 1079-1091
Einer der metaphysischen Grundbegriffe, von denen es in DI heißt, dass sie sich der »Idealisierung der Ideologie« (…), zumal der religiösen, verdanken. Während die »äußere Welt« die der »faktischen Mächte« (Gewalt, Geld) ist, herrscht, wie es bei Kierkegaard (Furcht und Zittern) heißt, »in der Welt des Geistes […] eine ewige göttliche Ordnung« (etwa Gerechtigkeit). Der E-Begriff ist, wie Günther Anders gezeigt hat, »überdeterminiert«, was sich an seinen Geltungsbereichen ablesen lässt: Gestirne, platonische Ideen, Gott, Spezies der Lebewesen, Seele, Höllenstrafen, Naturgesetze, Naturrecht, Herrschaft, Schönheitskanon der Klassik (1982). Indem Philosophie sich bei Platon und Aristoteles als Anschauung des Ewigen konstituiert, wird sie Philosophia perennis, »ewige Philosophie«, ein philosophischer Mythos, in dem die ideologische E-Form sich selbst zum Inhalt wird. Dieser Mythos der Philosophie ist so ideologisch, wie, nach der Einsicht von Heinz Maus, alle »Bilder vorgeblich ewiger Wahrheiten es sein können, die zu schützen sie angeben und deren Alter sie vorschützen, um Zustände zu verklären, die obzwar ›wirklich‹, so doch nicht ›vernünftig‹ sind« (1981). Althussers Ideologie-Theorie verbindet die von Marx und Engels analysierte ideologische E-Vorstellung mit der von Freud beobachteten E des Unbewussten.
Dass »nichts unewiger ist als dieses Wort« (Anders 1982), zeigt schon die Etymologie: ewig ist verwandt mit dem lat. aevum und dem griech. αἰών; diese Ausdrücke bedeuten zunächst »Lebenszeit«, »Menschenalter« (Liddell-Scott), also durchaus innerzeitliche Dauer. E im modernen, durch Theologie und Philosophie verjenseitigten Sinn ist mit der antiken Nähe zur praktischen Lebenswirklichkeit schwer zu vereinbaren. Die Übersetzungen der Paulus-Briefe überdecken die Unvereinbarkeit, indem sie denselben Ausdruck αἰών mal als »E«, mal als »Welt« (was für die Theologie Gegensätze sind) wiedergeben (vgl. 1 K 1.20: τοῦ αἰῶνος τούτου – »dieser Welt« vs. R 16.25: χρόνοις αἰωνίοις »seit ewigen Zeiten«).
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