eingreifende Sozialforschung
A: baḥṯ iǧtimā‛ī tadaḫḫulī. – E: interventive social research. – F: recherche sociale intervenante. – R: rešajuščee social’noe issledovanie. – S: investigación social de intervención. – C: jieru de shehui diaocha 介入的社会调查
Frigga Haug
HKWM 3, 1997, Spalten 161-165
Sozialforschung ist gewöhnlich so konzipiert, dass die Forschenden das zu Erforschende nicht durch ihr Dazwischentreten verändern sollen. Für den ›Fehler‹, der dennoch durch die bloße Anwesenheit ›Dritter‹ im Untersuchungsraum auftreten kann, wurde der Begriff ›bias‹ verwendet, den bereits John Locke zur Bezeichnung interessenbedingter Verzerrungen der Erkenntnis gebraucht (»men, being biased by their interest«, An essay concerning the true original extent and end of civil government, Ch. IX, §124). Kritisch wird gefordert, dass die Feldveränderung zumindest reflektiert wird. Dagegen besteht für eine Reihe von Untersuchungen, die sozialen Bewegungen verpflichtet sind, das Ziel empirischer Forschung ausdrücklich darin, das Untersuchungsfeld selbst zu verändern und ihre »Objekte« als lernende und ihr Leben gestaltende Subjekte in die Forschung mit einzubeziehen. Diese Sozialforschung kann – in Anlehnung an Brechts eingreifendes Denken – eS genannt werden.
Der Sache nach ist Marx mit seiner Arbeiterumfrage der erste, eS betreibt. Da es in Frankreich, anders als in England, keine Fabrikinspektoren und daher auch keine Berichte über die Arbeitsbedingungen in den Fabriken gab, versuchte er diese in einer eigenen Umfrage zu erkunden.
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