Nachrufe
Frank Benseler hat sich seit Anfang der 1970er Jahre als Lektor des Luchterhand Verlags in besonderer Weise für das Werk von Georg Lukács eingesetzt. Seine Bedeutung als Motivator und Gesprächspartner bei der Entstehung von Lukács‘ Spätwerk kann kaum überschätzt werden.
Benseler war verantwortlich für die Reihen „Soziologische Texte“, „Politica“ und „Soziologische Essays“. Die Liste der hier publizierten linken Klassiker ist lang, darunter Jürgen Habermas (Strukturwandel der Öffentlichkeit), Lucien Goldmann, Herbert Marcuse (Der eindimensionale Mensch) und natürlich Georg Lukács.
Nora Räthzel (Auszug aus dem Tagungsbericht)
Diese wahrhaft demokratische Tagung, in der alle jeden und jede herausfordern („den Finger auf jeden Posten legen und fragen, wie kommt er dahin“), kennt auch ihre Stars. Diesmal kamen sie aus vielen Ländern, John Bellamy Foster aus den USA, Gérard Duménil aus Frankreich, Guglielmo Carchedi aus den Niederlanden und Italien, Gabriele Dietrich aus Indien und, der Star der Stars, Pablo González Casanova, Grand Old Man der Sozialwissenschaften und der sozialistischen Bewegungen Mexikos und Lateinamerikas.
Er ließ uns teilnehmen an Ereignissen seiner Lebensgeschichte: als er zu den Zapatistas eingeladen wurde und von ihnen lernte, wie friedlicher Widerstand demokratisch über lange Zeit organisiert werden kann, wie die Frauen in zentralen militärischen Positionen unter der Trennung von ihren Familien leiden ebenso wie die Männer, wie sie Städte, die sie schon einmal militärisch erobert hatten, nun zu tausenden aufs neue, friedlich eroberten, zu zeigen, dass sie nach wie vor da sind und ihre Gemeinden leiten, Schulen, Krankenversorgung und soziale Sicherheit garantierend; wie seine Frau, einst einen jungen Mann namens Ernesto Guevara zum Abendessen einlud und er ihr danach sagte, wenn Du wieder mal einen Argentinier einladen willst, dann bitte nicht so einen verrückten; wie er dies später, in Kuba, dem Che erzählte und dieser lachend antwortete, dieses Urteil hätte er damals schon bemerkt. Was Pablo zum für mich eindrucksvollsten „Star“ dieser Tagung machte, war die völlige Abwesenheit von Starverhalten. Da kam ein weit geachteter und viel dekorierter Wissenschaftler, und wir erlebten einen Mann, der sich für alle interessierte, überall nachfragte, bis nachts um eins an der Verbesserung seines Textes saß und dessen Humor und Wärme vergessen ließen, wie berühmt und auch wie alt er ist.