Agrarreform

A: iṣlāḥ zirāʿī. – E: agrarian reform, land reform. – F: réforme agraire. – R: agrarnaja reforma. – S: reforma agraria. – C: nongye gaige

Theodor Bergmann

HKWM 1, 1994, Spalten 83-88

Als Summe von Maßnahmen, die Eigentum und/oder Verfügung und Nutzung des Bodens zugunsten der effektiven Agrarproduzenten verändern und in der Folge die Grundrente umverteilen, betrifft A die Veränderung einer der grundlegenden ökonomischen Machtpositionen, die Grundlage politischer Macht über das Dorf und die Agrarbevölkerung. Werden diese Maßnahmen zeitlich gerafft, im Zuge revolutionärer Kämpfe und Transformationen durchgeführt, spricht man von Agrarrevolution. Veränderungen der Agrarstruktur werden in der Menschheitsgeschichte immer wieder notwendig, weil zahlreiche Faktoren sich ändern, etwa das Mensch-Land-Verhältnis, die Produktionsmittel, Boden- und Arbeitsproduktivität, Funktionen des Bodens, das Gesellschaftssystem.

Die Teilung der gesellschaftlichen Funktionen führt zur Ausbeutung der Agrarproduzenten durch Grundbesitzer und Geldverleiher (die oft zur gleichen Schicht gehören oder identisch sind). Der Kampf um den Boden als einzige Lebensgrundlage und Arbeitsplatz einer bäuerlichen Bevölkerung kann zum Brennpunkt harter sozialer Kämpfe werden, in denen die Massen revolutioniert werden und wesentlich zum Sturz der alten Gesellschaftsordnung beitragen. Neben den ökonomischen sind die sozialpsychologischen Wirkungen wesentlich. Radikale Agrarreformer verbannen die früheren Großgrundbesitzer aus »ihrem« Dorf (Sowjetunion) oder führen Tribunale durch, in denen die Dorfarmut ihre Klagen öffentlich vorträgt (China). Damit wird den Kleinbauern die Furcht vor ihren bisherigen Ausbeutern genommen; sie werden psychologisch frei.

Agrarfrage, Antikolonialismus, Bauern, Bauernbewegung, Bodenreform, Entkolonisierung, Erde, Grundrente, Indiofrage, Kollektivierung, Latifundismus, Mariateguismus, Revolution, Stadt/Land

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